Die Vierfleck-Zartspinne

Vierfleck-Zartspinne, Weibchen, Cinema 4D


Einordnung

Die Vierfleck-Zartspinne (Anyphaena accentuata) ist eine Spinnenart der Gattung Anyphaena aus der Familie der Zartspinnen (Anyphaenidae). Der Gattungsname «Anyphaena» leitet sich vom Griechischen ἀν (=nicht) + ὑφαίνω (=weben) ab, da diese Spinnen keine Fangnetze weben. Die Art ist damit keine Ausnahme: etwa rund die Hälfte der mehr als 50'000 bekannten Spinnenarten weben keine Fangnetze sondern lauern ihrer Beute auf oder jagen diese aktiv.


Beschreibung

Links Weibchen (CC: Andreas Eichler), rechts junges Männchen (CC: gbohne auf Flicker)

Die Körperlänge der Vierfleck-Zartspinne beträgt bei Weibchen 5–9 mm, Männchen sind mit 4–7 mm etwas kleiner. Der Körper ist blassgelb bis mittelbraun gefärbt. Der Vorderkörper ist mit schwarzen gezackten Seitenbändern gezeichnet, am Hinterkörper sind mittig vier schwarze eckige Flecken zu sehen, die für diese Art charakteristisch sind. Die Beine selbst sind gelbbraun-schwarz gescheckt. Bei Männchen findet sich oft eine deutlichere Zeichnung.


Lebensraum

Ihr Lebensraum erstreckt sich von Europa bis Zentralasien. In der Schweiz ist sie eine häufige Art. Sie lebt vorwiegend in der Stamm- und Kronenschicht von Laubbäumen, aber auch auf Büschen und Nadelbäumen. Sie liebt Feuchtigkeit und bevorzugt (zumindest Halb-) Schatten.


Lebensweise

Die Art überwintert als Jungtier unter der Rinde von Bäumen. Die Jungtiere sind auch im Winter aktiv und können bei Temperaturen von bis zu -4º Celsius Nahrung suchen. Von Mai bis Juli können die ausgewachsenen Tiere angetroffen werden. Tagsüber ziehen sie sich in ihre aus Blättern zusammengesponnene Wohnröhre oder unter Baumrinde zurück.
Nachts macht sie Jagd auf kleine Insekten (Zweiflügler, Blattläuse, Käfer- und Schmetterlingslarven und bei Gelegenheit Insekteneier). Zu Beginn der Nacht sind die Spinnen am aktivsten. Sie sind weitgehend nicht kannibalisch und gehen Artgenossen und anderen Spinnenarten aus dem Weg. Am wohlsten fühlen sie sich bei Temperaturen um 18º. Bei Temperaturen ab 30º erhöht sich die Sterblichkeit der Spinnen. Es ist ihnen zu heiss.
Die Zartspinne hat ein ungewöhnliches Paarungsverhalten: im Vorspiel trommelt das Männchen rhythmisch mit den Tastern und dem ersten Vorderbeinpaar auf die Wohnröhre des Weibchens, um es in Stimmung zu versetzen. Gleichzeitig vibriert sein Hinterleib und erzeugt einen für Menschen hörbaren Ton. Die Paarung kann mehrere Stunden dauern. Im zusammengerollten Blatt findet dann die Eiablage statt.


Sinneswahrnehmung


Luftstromsinn

Der Luftstromsinn der Vierfleck-Zartspinne ist einer der sensibelsten im Tierreich, nebst dem von beispielsweise Grillen. Sie kann alleine mit diesem Sinn fliegende Insekten orten und aus der Luft fangen.
Die Luftströme werden anhand spezieller oszillierender Haare wahrgenommen. Sie heissen Becherhaare (oder auch Hörhaare) und befinden sich auf allen acht Beinen und auf beiden Tastern, jeweils auf Metatarsus und Tarsus (Vorfuss und Fuss)
Die Becherhaare sind lange, dünne s-förmig gebogene Haare, die in einem Becher stehend oszillieren. Sie werden schon von wenigen Luftmolekülen in Bewegung versetzt. Der Sinn grenzt damit ans physikalisch Mögliche.
Die Spinne nimmt Luftoszillationen im Frequenzbereich von 10–950 Hz wahr. Das ist genau der Frequenzbereich in dem das Summen und Brummen von fliegenden Insekten liegt.

1 Blau die Stellen wo die Becherhaare sitzen
2 Die s-förmig gebogenen Haare
3 Sie stehen in einem sogenannten Becher, eine Vertiefung im Exoskelett der Spinne. Die Haare sind sehr beweglich und werden vom feinsten Lufthauch in Schwingung versetzt. Sie oszillieren und lösen so Nervenimpulse aus.
4 Die Haare haben eine ebenfalls haarige Oberflächenstruktur, in der sich einzelne Luftmoleküle verfangen und das Haar in Bewegung versetzen.


Vibrationssinn

Die Spinne nimmt Vibrationen aus dem Untergrund anhand von Schlitzsensillen und Haaren an den acht Beinen wahr.
Das wichtigste Sinnesorgan ist dabei das Metatarsalorgan. So wird eine Gruppe von Schlitzsensillen am unteren Ende des Metatarsus (Vorfuss), oberhalb des Fussgelenks bezeichnet.
Der Vibrationssinn ist besonders empfänglich für das Krabbeln von Tieren auf Pflanzen oder für Balzsignale. Die gleichmässige Ausbreitung der Beine gewährleistet eine optimale Empfänglichkeit.

1 Der Sitz des Metatarsalorgans
2 Oberhalb des Fussgelenks befindet sich das Metatarsalorgan
3 Es ist eine Ansammlung von Spalten im Exoskelet der Spinne. Diese Spalten werden bei Vibrationen aus dem Untergrund zusammengepresst.
4 Jede einzelne Spalte ist oben und unten mit einer feinen Membrane verschlossen. In der Mitte werden die beiden Membranen von Nervenzellen durchdrungen, die beim Zusammenpressen Nervenimpulse auslösen.


Augen

Die Vierfleck-Zartspinne hat acht Augen. Von denen jedes Paar eine andere Aufgabe hat – sozusagen einen anderen Fokus erlaubt. Insgesamt hat sie eine 360º Rundumsicht.
Die beiden vorderen Augen sehen scharf auf kurze Distanz, im Bereich einer Beinlänge. Sie kann die Augen nicht scharf stellen, stattdessen muss sie näher gehen um etwas besser zu sehen. Die anderen sechs Augen sind eher für die Bewegungswahrnehmung zuständig.


Blau: Hauptaugen (AM, anterio-mediane Augen)
Sie sind die empfindlichsten Augen, was Schärfe und Lichtempfindlichkeit betrifft. Sie sehen vor allem nach vorne und sind für die Mustererkennung zuständig.

Nebenaugen
Sie sind vor allem für die Bewegungserkennung zuständig.

Grün: PM, posterio-mediane Augen
Sehen vor allem nach oben.

Rot: AL, anterio-laterale Augen
Sie sehen vor die Taster.

Gelb: PL, posterio-laterale Augen
Sie sehen vor allem zur Seite und nach oben.

Da die Vierfleck-Zartspinne nachtaktiv ist, sieht sie nachts besser als wir. Sie hat lichtstärkere Augen. Da sie Rot nicht wahrnehmen kann, nimmt sie Farbe vor allem im Blau- und Grünbereich wahr, was sie vermutlich ähnliche Farben sehen lässt, die ein Rot-Grün-Blinder sieht (Farben im Gelb-Blau-Grau-Bereich). Sie kann UV-Licht wahrnehmen. UV-Licht spielt nur tagsüber eine Rolle und dient vermutlich der Orientierung.



Der Platz der Spinnen im ökologischen Netzwerk


Spinnen allgemein


Spinnen sind Fleischfresser und ernähren sich hauptsächlich von Insekten. In kleinerem Umfang erbeuten sie auch andere Spinnen, Spinnentiere oder Insekteneier. Einige konsumieren gelegentlich sogar Pflanzensäfte. Grossen Spinnen können auch Frösche, Echsen, Schlangen oder Vögel zum Opfer fallen. 95% der gesamten Beutetötungen aller Spinnen finden in Graslandschaften und Wäldern statt.
Spinnen sind ihrerseits eine wichtige Nahrungsquelle einer ganzen Reihe von Tierarten. Schätzungen zufolge ernähren sich 8’000–10’000 Arten hochspezialisierter Raubtiere und Parasiten ausschließlich von Spinnen. Raubtiere, die sich ausschliesslich oder teilweise von Spinnen ernähren sind Insekten, Spinnen, Fledermäuse, Vögel, Fische, Echsen, Amphibien, kleine Säugetiere, usw.

Vierfleck-Zartspinne

Vierfleck-Zartspinnen leben nebst Wäldern auch in Apfelplantagen und gelten dort als Nützlinge, da sie signifikant dazu beitragen, Schädlinge zu bekämpfen. Sie ernähren sich von für Apfelbäume schädlichen Nachtfaltern und deren Raupen, Rüsselkäferlarven und flugunfähigen Läusen. In Wäldern ernährt sie sich zudem von Pflanzensaft-saugenden Zwergzikaden oder kleinen Heuschrecken.
Sie dürfte ihrerseits Beute von Hundertfüsslern, Vögeln, Fledermäusen, Wegwespen, parasitären Fliegen und anderem sein.


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